Lana – zutiefst erschütternde Diagnose für die Junghündin mit Löwenherz

Nach Kardio-Check und Blutuntersuchung im Februar wurde Lana auf das Medikament Sotalol (Beta-Blocker) eingestellt. 2 x täglich in einer Leberwurstkugel verpackt, geht das völlig problemlos. Anfang April zeigte sich bei einem 10-Minuten EKG, dass sich die Arrhythmien ganz deutlich verbessert haben und Lana jetzt narkosefähig ist! Die Kieferkorrektur sollte nun vorgenommen werden. Da zur Risikominimierung ein mitlaufendes EKG sowie ein Notfallmanagement gegeben sein müssen, wollten wir dies in einer Klinik mit dem nötigen Equipment realisieren.

Es kam jedoch anders: Kurz darauf erlitt Lana den ersten von mehreren schweren Krampfanfällen. Wir bekamen einen Termin für Ende April in einer 100 km entfernten Fachklinik, um unsere Maus noch einmal auf den Kopf stellen zu lassen. Andere hätten vielleicht wegen der enormen Kosten schon aufgegeben, aber wir wollten und mussten es wissen. Wachdiagnostik: Noch einmal umfassende klinische und neurologische Untersuchungen, noch einmal Gangbildanalyse, Ultraschall des Bauchraums, detaillierte Blutuntersuchungen und vor allem: Ein MRT des Schädels mit Kontrastmittelgabe. Letzteres wurde, neben einer Liquorpunktion, unter Narkose durchgeführt.

 

Das Ergebnis ist so ungewöhnlich wie niederschmetternd:

Lana leidet unter einer angeborenen Fehlbildung des Gehirns, einer Corpus callosum Agenesie (CCA). Das bedeutet in einfachen Worten: Der Hirnbalken (bestehend aus Millionen Nervenfasern), der normalerweise die rechte und linke Gehirnhälfte verbindet, fehlt ganz oder teilweise. Bei Lana ist beides der Fall: Ein Teil des Balkens ist gar nicht ausgebildet, andere Areale sind unterentwickelt. In der Veterinär-Literatur ist diese Erkrankung nicht sehr häufig beschrieben, da sie so selten ist. Selbst die Tierärzte in der Klinik wussten nicht sofort, was genau sie da im MRT sahen. Fakt ist, die beiden Hirnhälften können ohne den Hirnbalken nicht bzw. nur unzureichend kommunizieren, was zu einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome führt, die nicht bei jedem Patienten identisch sind. Außerdem ist die Erkrankung progressiver Natur, entwickelt sich also kontinuierlich weiter.


Bei Lana haben sich bisher ein häufiges Kreiswandern, Jagen der eigenen Rute bei Aufregung und eine Ataxie (neurologische Störung der Bewegungsabläufe und -koordination) entwickelt. Sie rudert beim Traben mit den Vorderläufen, die Bewegungen werden zu ausladend ausgeführt (Hypermetrie). Krampfanfälle sowie reduzierte Lernfähigkeit gehören zum Krankheitsbild der CCA. Auch eine hohe Stressanfälligkeit – durchaus auch durch positiven Stress – ist beschrieben.

Der Hirnbalken lässt sich nicht rekonstruieren, deshalb richtet sich die Behandlung nach den Beschwerden aus: Lana bekommt nun täglich ein Medikament gegen die Krampfanfälle. Der Serumspiegel wird in 4 Wochen überprüft. Sie bekommt weiterhin ihr Herzmedikament sowie einen Vitamin-Komplex. Die Pflegestelle kennt unser Sorgenkind inzwischen sehr gut und wird auf jede Veränderung genau achten.

 

Nach diesen furchtbaren Neuigkeiten möchten wir jedoch nicht versäumen, folgendes zu sagen: Es gibt einerseits die Diagnostik, die Laborwerte, das Papier. Und es gibt andererseits diese junge Hündin, die sich gegen alle Hindernisse an ihr kostbares Leben klammert: Lana ist nach wie vor eine fröhliche Rennsemmel, die aus purer Bewegungsfreude über die Wiesen flitzt und im Freilauf übrigens traumhaft zuverlässig ist! Im Alltag ist sie manchmal tollpatschig oder weiß nicht, wie man „angemessen“ reagiert. Deshalb wirkt sie zuweilen distanzlos oder sogar etwas aufdringlich, wenn sie etwas einfordert. Sie reagiert öfters atypisch auf harmlose Dinge wie z.B. Kleidungsstücke oder bestimmte Bewegungen. Ihre schwere körperliche und geistige Behinderung gibt uns jedoch einen neuen Blickwinkel darauf: Lana kann es einfach nicht besser oder anders; sie gibt sich aber unendliche Mühe, diese Dinge zu managen! Sie kann inzwischen „Sitz“ „Bleib“ und „Komm“ umsetzen, geht trotz ihrer Koordinationsprobleme täglich eine Wendeltreppe hoch und runter, weil sie unbedingt bei ihrem Pflegepapa kuscheln möchte. Oder sie setzt sich in Zeitlupe hin (weil der Bewegungsablauf schwierig für sie ist), sieht mit großen Augen ihre Leute an und erwartet die wohlverdiente Belohnung für ihr freiwillig! aufgeführtes Kunststück.

 

Lana rührt uns sehr mit ihrem Überlebenswillen. Deshalb tun wir alles, damit ihr Leben so lange wie möglich lebenswert bleibt. Natürlich wäre ein sehr ruhiges, stressarmes Zuhause ohne andere Hunde, in dem sie der Mittelpunkt ist, ideal. Wir wünschen uns das sehr für sie, aber es ist die berühmte Stecknadel im Heuhaufen…Lana ist nicht einfach und doch so unkompliziert, wenn man sich auf sie einlässt und einige Dinge mitbringt.

Der unbehandelt verheilte Kieferbruch hat nichts mit der CCA zu tun, sondern ist die Folge eines zusätzlich erlittenen Traumas. Da die Korrektur unter entsprechendem Management nun möglich ist, werden wir das sobald wie möglich in Angriff nehmen. Zunächst beobachten wir aber, wie Lana auf die neue Medikation anspricht, da Krampfanfälle ein zusätzliches Narkoserisiko bergen.